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Anaphylaktischer Schock

Anaphylaktische Schocks sind schwere allergische Reaktionen, die tödlich enden können, und zwar innerhalb von 30 Minuten. Genaue Statistiken über die Häufigkeit gibt es nicht. Schätzungen reichen bis zu etwa zwei anaphylaktischen Todesfällen auf eine Million Einwohner im Jahr. Das entspricht etwa 160 solcher Todesfälle in Deutschland, Großbritannien, etwa 120 in Deutschland und etwa 600 in den USA.

 

In Deutschland kommt nach Berichten von Allergologen nahezu jeder hundertste Patient in den Notfallambulanzen wegen allergischer Reaktionen, bis zu 2 Prozent aller schweren Anaphylaxien endeten tödlich. In Großbritannien stieg die Zahl der anaphylaktischen Schocks in den Jahren nach 1990 um 600 Prozent, wie eine im September 2006 veröffentlichte Untersuchung ergab.

 

Im kanadischen Bundesstaat British Columbia werden schon Lehrer und Eltern in den Schulen in lebensrettenden Maßnahmen trainiert. »Immer mehr Kinder haben lebensbedrohliche Nahrungsmittelallergien«, so ein Ratgeber des zuständigen Familienministeriums.

 

Vor allem industrielle Nahrungsmittel mit ihren komplexen Zutaten werden häufig zum Auslöser solcher Schocks.

 

Als etwa Dr. Hugh A. Sampson mit einigen Ärztekollegen von der Johns Hopkins Universität im US-amerikanischen Baltimore nach den Ursachen für mysteriöse Todesfälle bei sechs Schulkindern forschte, brachte die Suche  ein überraschendes Ergebnis. Todesursache waren: ein Hamburger, ein Sandwich, Süßigkeiten. Sie enthielten diverse versteckte Zutaten, Spuren von Erdnüssen, Nüssen, Eiern.

 

Die Kinder, allesamt Allergiker, hatten die gefährlichen Stoffe zuvor erfolgreich umgangen. Doch gegen die industriell hergestellten Leckereien waren sie machtlos: Die für sie lebensgefährlichen Ingredienzen waren in den Lebensmitteln verborgen, ebenfalls ohne Warnhinweise, ohne Deklaration.

 

So warnte auch das deutsche Bundesgesundheitsblatt vor »unter Umständen lebensbedrohlichen Schockreaktionen« durch die unsichtbaren Allergene. »Besonders problematisch« sei etwa das Meeresfrüchte-Mischerzeugnis Surimi, mahnte das Bundesgesundheitsblatt  in einem Artikel über »versteckte Allergene«: Es sei »beispielsweise in Fleischwaren zu finden oder als Pizzabelag, wo es auch noch allergen sein kann.«

 

Selbst spezielle Babynahrung für Allergiker kann aufgrund von Spuren von Allergieauslösern zu einem anaphylaktischen Schock führen.

 

Einige Hersteller sind daher dazu übergegangen, auf der Packung freiwillig auf die potentiellen Schock-Auslöser hinzuweisen: »Kann Spuren von Erdnüssen, Mandeln und Weizeneiweiß enthalten«.

 

Für einen anaphylaktischen Schock genügen geringe Mengen; selbst die tödliche Dosis ist winzig. Bei Ei etwa, so berichtete das US-Fachblatt Food Technology, wurden allergische Reaktionen schon bei einem Anteil von 0,003 Prozent in einem Lebensmittel beobachtet; ein Milchallergiker erlitt einen tödlichen Schock nach Verzehr eines Würstchens, in dem ein Anteil von 0,06 Prozent Milcheiweiß enthalten war – insgesamt nur 60 Milligramm.

 

In Großbritannien ist die Sensibilität gegenüber den potenziell tödlichen Allergien besonders ausgeprägt. Das ist unter anderem einem Mann namens David Reading zu verdanken, dem Gründer der Aufklärungsbewegung „Anaphylaxis Campaign«. Seine Tochter war nach einem anaphylaktischen Schock gestorben.

 

Auslöser solch lebensbedrohlicher Reaktionen sind nicht nur natürliche Nahrungsmittel und ihre Bestandteile, sondern auch Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und Zusatzstoffe.

 

So können etwa Farbstoffe solche Schocks auslösen, etwa Patentblau (E131) oder Karminrot (E120). Der Zürcher Allergologe Professor Brunello Wüthrich berichtete schon 1994 von teilweise schweren Anaphylaxien nach Campari. Ursache: Der dort enthaltene Farbstoff.

 

Nach einem Todesfall in Kanada wurde die Verwendung von Schwefelzusätzen (E220 bis E228) in Restaurants untersagt.

 

Auch der Zusatz Mannit (E421) kann in sehr seltenen Einzelfällen die Ursache allergischer Reaktionen sein. Eine indische Studie beschreibt den Fall einer 32jährigen Frau, die einen schweren anaphylaktischen Schock mit Nesselsucht, Gefäßödemen, Atemnot bis hin zur Bewusstlosigkeit erlitt, nachdem sie eine Antibiotika-Kautablette zu sich genommen hatte, in der Mannit enthalten war.

 

Und schließlich kann auch der Geschmacksverstärker Glutamat anaphylaktische Schocks hervorrufen, und sogar die scheinbar gesunden Vitamine, insbesondere wenn sie gespritzt werden.

 

Als besonders gefährliche Allergene gelten dabei Vitamin K, aber auch Thiamin (Vitamin B1).

 

Und Riboflavin (Vitamin B2). In einem Fall, von dem eine Studie aus Taiwan berichtet, war ein Schock bei einem 15jährigen Jungen eindeutig darauf zurückzuführen. Das Riboflavin war dabei in einem mit Vitaminen angereicherten Saftgetränk und einer Multivitamintablette enthalten.

 

Zum Risiko können bei sensiblen Konsumenten auch Antibiotika werden, selbst wenn sie nur im Fleisch enthalten sind: Aus Frankreich wurde der Fall einer 64jährigen Dame bekannt, die nach dem Genuss von Hackfleisch und Schweinewürstchen mit einem allergischen Schock reagiert hatte – sie war, wie sich zeigte, nicht auf das Fleisch allergisch, sondern auf das Penicillin, das in winzigen Mengen noch enthalten war.